Lives of the Unconscious

Lives of the Unconscious

Podcast on Psychoanalysis and Psychotherapy

Folge 69: Das Phantom der Leere. Zur Psychodynamik der Weißen Depression.

Rätsel des Unbewußten

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Episodenbeschreibung:
Im Kontrast zur “schwarzen Depression” bezeichnet die weiße Depression ein oftmals unauffälliges, schleichendes Leiden, welches das ganze Leben begleitet. Ihr Kennzeichen ist ein kaum zu begreifendes Gefühl der Sinnlosigkeit und Leere, selbst, wenn Dinge gelingen oder eigentlich zur Freude anhalten sollten: als würde man trotz allem Bemühen an nichts im Leben wirklich glauben können, als wäre jede Liebe und jede Begeisterung immer ein Bühnenstück, für andere aufgeführt. Was es damit auf sich hat und woher ein solches Lebensgefühl rühren kann, darum geht es in dieser Folge.

Bonusmaterial / Nachbesprechung: Zur klinischen Behandlung der Weißen Depression

Das Skript zur Episode

Download der Episode (mp3)
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Literaturempfehlungen:

  • Green, A. (1983/2011). Die tote Mutter. In: Die tote Mutter. Psychoanalytische Studien zu Lebensnarzissmus und Todesnarzissmus. Gießen: Psychosozial, 233–264.
  • Rohde-Dachser, C. (2010). Schwermut als Objekt. Über Struktur und Inhalt der Borderline-Depression. Psyche, 9/10, 862–889.
  • Willoughby, R. (2001). “The Dungeon of Thyself”: The claustrum as pathological container, The International Journal of Psychoanalysis, 82:5, 917-931Reis, J. (1997).

Intermezzo & Outro: Wicked Cinema — The Rose Bridge. Licenced via Soundstripe
T0GB949VEFOTZT7Q

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10 thoughts on “Folge 69: Das Phantom der Leere. Zur Psychodynamik der Weißen Depression.”

  1. Öffnet ein buddhistischer Mönch ein leeres Päckchen, ein Geschenk seiner Glaubensbrüder, und ruft: “Oh, nothing. That´s all I ever want.”
    Aber Spass beiseite: Ein Therapeut (der nur noch schwarze Pädagogik für mich übrig hatte) sagte einmal (vor 40 Jahren) zu mir: “In jedem Menschen schläft ein kleiner Buddha (vermutlich meinte er die Erfahrung der ausgelieferten Hilflosigkeit). Den musst Du schlafen lassen, egal, was sie dir antun.”
    Soviel also zum sozialen Zündstoff, der in dieser “Beziehungserfahrung” steckt. Nicht umsonst werden um dieses “Nichts” sehr strenge Regeln vermittelt, z.B. für buddhistische Mönche.

  2. Danke für den wirklich schön gemachten und gut erklärten Podcast über dieses Thema!
    Viele Grüße Sabrina

  3. Vielen lieben Dank für diesen großartigen Podcast und speziell für die Folge zur weißen Depression. Als Betroffene ist es ein Moment der Erleichterung, wenn man diese Folge hört… das Gefühl erleben zu können, dass es Menschen gibt, die das verstehen und kennen, in Worte fassen können.
    Auf etwas möchte ich hier jedoch hinweisen, dass für mich eine unfassbar wichtige Erkenntnis war und das ist für mich im Podcast etwas untergegangen… Meine Diagnose ist im Zusammenhang mit einer kPTBS und dieser “Burggraben” um mein Innerstes, der Ort bis zu dem alle Gefühle kommen, der sie aber von meinem Innersten abhält, hält ja nicht nur das Gefühl von Freude, Liebe, Zuneigung fern, sondern gleichermaßen auch Angst, Wut, Zorn, Hass, aber vor allem anderen die Angst. Durch diese Leere im Inneren kann diese unbändige und alles vereinnahmende und vernichtende Angst nicht bis zu “mir” vordringen. Nicht mehr. Diese Erkenntnis und das verstehen ist seit Jahren für mich überlebenswichtig.
    Natürlich, nichts wird intensiv gefühlt, intensive, wahre Liebe gibt es nicht. Es ist wie Schokolade essen ohne Geschmackssinn. Aber die weiße Depression ist auch ein Schutz ohne den ich nicht weitermachen könnte. Und ich denke, mit dieser Haltung kann man sich besser arrangieren.
    Vielen Dank und alles Liebe

  4. Ich habe etwas besser verstanden, was mit mir „los“ ist. Ich hatte sowohl einen Vater als auch eine Mutter, die lediglich physisch anwesend waren. Die Konsequenzen für mein Leben sind folgenschwer.

  5. Hierzu fällt mir die Bemerkung eines – mir wahrscheinlich wohlgesonnenen – Professors (in einer Vorlesung) ein, dass – zumindest bezog ich das auf mich – ich von dritter Seite her als “Gleichverteilung” bezeichnet (und gehandelt) wu/erde.

  6. Durch diese Folge habe ich die gefühlten Puzzleteile meines Selbst, das Gefühl des Zerbröselns, meines Schutzmechanismusses der verzweifelten Wut auf mich selbst verstanden. Die permanente Suche nach dem Genugsein, nach dem Geliebtsein einfach so wie ich bin.
    Das im Podcast auseinandergesetzte Erfordernis, Mutter (und in meinem Fall auch Vater) für mich gefühlt sterben zu lassen, bringt mich zur Frage, ob damit konsequenterweise ein Kontaktabbruch einhergehen muss. Jede Nachricht, jedes Telefonat, jeder Kontakt zu ihnen bringt mich an den Rand der existenziellen emotionalen Not. Und dennoch fühle ich mich so “verpflichtet” zu antworten. Das erwähnte Fünkchen Hoffnung, irgendwann werden sie mich endlich sehen, wie ich bin. Dass ich genug bin. Dass ich gut bin.
    Und ich weiß doch in meinem Kopf: das wird nie kommen. Sie sind nicht in der Lage zu verstehen.
    Die materiellen Zuwendungen, mit denen sie mich unterstützten, fühlen sich an wie eine Fessel: “Sieh doch, was wir alles für Dich getan haben. Daran sieht man doch, dass wir Dir zugewandt sind und Dir jederzeit helfen werden!!” Ich fühle mich durch ihre überbordenden Zuwendungen erneut gedemütigt, denn ich empfinde den Geldsegen höherwertig gegenüber mir. Ich fühle mich schlecht, wenn sie mir wieder einen Umschlag geben. Eine Zurückweisung akzeptieren sie nicht. Ein permanentes Überrolltsein, eine Übergriffigkeit in mein Leben und meine Seele.
    Für meine eigene Stabilität macht mir das Angst. Ich bin überfordert und habe keine Energie mehr, keine Lust. Es fühlt sich immer an wie umsonst. Die Leichtigkeit des Lebens ist mir verlorengegangen, ich kann nicht mehr loslassen, ich muss tun und tun und tun. Und dennoch ist es sinnlos. Wo ist denn mein eigenes Selbst? Ist es vorhanden und nur verschüttet? Was soll ich lernen zu schützen wenn ich gar nicht weiß, was ich bin? Um was soll ich Grenzen ziehen? Kein Nein wird von ihnen akzeptiert, kein “bitte lasst mich in Ruhe”. Einen Wunsch zu haben wird unendlich anstrengend, denn er muss beleg- und verargumentierbar sein; sogar vor mir selbst, weil ich das so verinnerlicht habe.
    Und die Partnerschaft? Wo kämpfe ich für meinen Part, wenn ich nicht weiß, wo mein Part ist? Das gedankenlose Reintrampeln in meine Gefühle kenne ich so gut, dass ich gar nicht mehr kämpfe um sie zu verteidigen. Das ist ein Freifahrtschein für unablässige Grenzüberschreitungen während ich den Partner stabilisiere, größer und wichtiger mache als er ist. Es ist nie eine Augenhöhe erreichbar. Wie kämpfe ich bei der Arbeit um eine bessere Stelle (“ich bewerbe mich lieber nicht, denn das schaffe ich nicht”) oder verhandele mit meinem Vorgesetzten über mehr Gehalt, wenn ich mich unwürdig fühle? Spiele ich der Welt mein Wissen vielleicht nur vor? Da ich nicht gut genug bin, kann ich nur ein Hochstapler sein.
    In Summe viel zu viel für mein Herz.

  7. Vielen Dank für diesen ‚erhellenden‘ Beitrag! Es ist so klar und präzise benannt, was für mein Ich-Gefühl kennzeichnend ist. Ich fühle mich durch die hier sehr plastischen Erklärungen des Krankheitsbilds so sehr verstanden, dass ich mir nun immerhin erklären kann, warum ich auch nach den Therapien (100-stündige TP, stationärer Aufenthalt und weit über über 300 stündige AP) weiterhin vor allem Vergeblichkeit spüre und trotz beruflichen Erfolgs an (m)einem negativen Selbstbild festhalte. Die innerste Wahrheit, die in der AP sehr deutlich spürbar war, lautet (wie im Beitrag genannt): Niemand liebt mich.

    Die psychische Struktur der weißen Depression dominiert mein gesamtes Erleben, ja geht so weit, dass ich trotz ihrer lebensverneinenden Ausrichtung auf diese Struktur angewiesen bin, vielleicht weil sie seit frühester Jugend die Struktur zur Bewältigung meines zunehmend freudloser werdenden Lebens war. Es ist, als würde sie zu mir gehören und sich in all meinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck verschaffen, ohne dass es dafür besonders schlimmer Schicksalsschläge bedürfen würde. Es ist eine übergreifende Plombe meiner mir zum inneren Selbstverständnis gewordenen Wahrheit, die als verinnerlichte Leere zwar nirgendwohin führt und doch wie die Sonne ihr Licht auf meine weitab davon in den Sümpfen liegende Schattengeschichte wirft. Das Sinnlosigkeitsgefühl ist mir, wie im Beitrag angerissen, eine genuin sinnstiftende Essenz im großen Nichts. Auch der im Beitrag angesprochene Nihilismus ist leider wie eine Religion für mich, ja das Fundament meines Lebens. So pflege ich den angesprochenen Kultus der Depression. Obwohl mir meine Lage ziemlich aussichtslos erscheint, erlebe ich beim Hören des Beitrags so etwas wie Sinn.

    Vielen Dank und alles Gute allerseits!

  8. @Maurice, Du sprichst mir aus der Seele-auf eine wunderbare Art, der Formulierung… auch wenn ich weiß, dass es Dir vielleicht nur einen kurzen und schnell vergänglichen Moment der Freude gibt, . Deine Art zu Formulieren ist besonders, ebenso wie dieser Podcast… beides hat mich zutiefst berührt-Danke!

  9. Ja, auch ich kenne dieses Gefühl der weißen Depression nur zu gut. Dieses verdammte ‘Nicht-Sein’, das man so schwer vermitteln kann, in der Familie, in der Arbeit, im Freundeskreis und letztendlich sich selbst. Therapie läuft ins Leere, Beziehungen scheitern, Medikamente helfen nicht wirklich….Ich bin ein sog. Ersatzkind, ein Mädchen, das den toten Bruder ersetzen sollte. Anstatt zu trauern, hat die Mutter ihren kleinen Jungen ersetzt.
    Herzliche Grüße an alle, denen es ähnlich geht♥️

  10. In einer Zeit, in der Menschen viel Zeit vor Glasflächen mit faszinierender Oberfläche verbringen, denen sie ihre intimsten Gefühle entgegenbringen, ist das geschilderte Phänomen wahrscheinlich sehr häufig.

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